Rede zur Lage der Union: Von der Leyen verpasst Schulterschluss mit Parlament

16.09.2020

Pressemitteilung vom 16.09.2020 anlässlich der Rede zur Lage der Union von Ursula von der Leyen

Viel Pathos, wenig Substanz. Mit viel PR hat von der Leyen eine Sachstandsbeschreibung geliefert. Als Blaupause für den Weg ins Europa von morgen bleibt sie leider hinter den Erwartungen zurück. Das Corona-Kapitel bleibt etwa völlig frei von Selbstkritik, keine Idee, wie der Vertrauensverlust der Bürger in die EU wiederaufgebaut werden soll. Dazu passt, dass das große Projekt über die Modernisierung der EU, die Zukunftskonferenz Europa, nur eine Fußnote in ihrer Rede bleibt. Von der Leyen scheint das Projekt aufgegeben zu haben, ein Beweis, dass es ihr nicht wirklich um eine grundlegende Modernisierung der EU geht. Schade, hier hätte sie das EU-Parlament und die Bürger auf ihrer Seite. Enttäuschend auch: Die EU-Kommissionspräsidentin ist in dieser Rede wieder einmal eine Präsidentin der Hauptstädte geblieben – von der Leyen hat klar die Chance verpasst zum notwendigen Schulterschluss mit dem EU-Parlament. Beispiel Rechtsstaatlichkeit – richtig und stark, dass von der Leyen sie als Priorität beschreibt – was fehlt, ist ihre unumstößliche Ansage, zusammen mit dem EU-Parlament dafür zu kämpfen, einen starken Rechtsstaatsmechanismus im EU-Haushalt fest zu verankern. Wer offen sagt, unser Haus setze nun in Hochgeschwindigkeit die Pläne des Rates um, der baut Druck auf anstatt den Rücken zu stärken. Es ist enttäuschend, das von der Leyen hier die parlamentarische Rolle schwächt anstelle unseren Handlungsspielraum für substantielle Nachverhandlungen zu stärken. Außenpolitisch geht der Aufschlag in die richtige Richtung, ihre deutlichen Worte zu Russland und der Türkei sind ausgesprochen begrüßenswert. Mit dem Wunsch nach einem europäischen Magnitsky-Act trifft von der Leyen zudem einen politischen Nerv, den wir als Renew-Fraktion schon lange fordern, das sind gute Nachrichten! Auch ihr richtungsweisender Appel, in Bereichen von Sanktionen den Weg der qualifizierten Mehrheit zu gehen ist positiv. Allerdings versäumt sie, das Ende der Einstimmigkeit in Bereichen wie Außenpolitik als grundlegende Reform in der Konferenz zur Zukunft Europas zu verankern. Zu blass auch die Worte zu hochpolitischen Fragen unserer Zeit, wie der europäischen Asyl – und Flüchtlingspolitik. In einer europäischen Regierungserklärung wäre es das mindeste, nicht nur Werte zu intonieren, sondern bereits heute konkrete Schritte vorzuschlagen. Glaubwürdigkeit gelingt ihr bei der Digital-Vorlage: Eine digitale Identität, bei der Datenökonomie, Glasfaserbau und acht Milliarden in Super-Computer zu investieren, ist richtig, dieser Weg hat Zukunft. Allerdings wäre es für das von ihr ausgerufene Digitale Jahrzehnt substantieller, wenn der digitale Pfeiler im Next Generation EU Programm genauso stark ausgestattet wäre wie der grüne. Kurz- da geht noch was.

Nehmen Sie einfach und unkompliziert Kontakt auf. Sie erreichen mich über mein Kontaktformular oder meine E-Mail: nicola.beer@europarl.europa.eu