BEER: Reaktion Frankreich Wahlen: Europa kann aufatmen – aber politischer Frühling der 5. Republik sieht anders aus

25.04.2022

Anlässlich der Präsidentschaftswahlen in Frankreich am 24. April 2022 erklärt EP-Vizepräsidentin Nicola Beer (Renew Europe, FDP)

„Marine Le Pen im Elysee – dieses dunkelste Szenario in letzter Minute abzuwenden – vermutlich war dies mit die Hauptmotivation vieler Franzosen, Macron ihre Stimme zu geben. Und dennoch: Die Wahl der Franzosen von Emmanuel Macron ist letztlich Daumen hoch für Europa, für Demokratie, für ein weltoffenes Frankreich und gegen Rechtsnationalismus und reaktionäre Abschottung. Das heißt, Europa kann erstmal aufatmen: Die Franzosen haben eine historische Bankrotterklärung an Europa gerade noch abgewandt. Europa wacht also nicht auf mit einer fremdenfeindlichen Grande Nation, die der EU feindselig gegenüber steht. 

Aber es liegt auf der Hand: das ist keine Wahl für Macron, sondern gegen Le Pen, ein politischer Frühling der 5. Republik sieht anders aus:  Emmanuel Macron steht vor einem politisch tief gespaltenen Land, in einer Zeit, in der eine historische Stärke von Europa erwartet wird – das geeint und mit voller Kraft dem Krieg in Europa entgegentreten muss. 

Wie stark Macron diese Rolle ausfüllen kann, hängt jetzt vor allem an dem Ausgang der Parlamentswahlen im Juni. Bescheren die Franzosen dem linken Mélenchon hier eine Mehrheit, was derzeit durchaus ein Szenario ist, ergibt das eine sogenannte Cohabitation, also ein liberaler Präsident mit linkem Premier: Diese politische Zweiköpfigkeit war in Frankreich nie einfach und das würde Macron zunächst schwächen,  es würde eine langwierige Regierungsbildung bedeuten – und für Europa wäre ein Frankreich, dass Monate mit sich selbst beschäftigt ist, ein herber Dämpfer in Sachen Handlungsfähigkeit.

Emmanuel Macron darf jetzt nicht seinen Reformwillen verlieren oder aufgeben. Auch wenn das politische Auseinandersetzung zu Hause heißt. Europa braucht nicht nur Frankreichs pro-europäischen Reformkurs, etwa beim Vorantreiben einer europäischen Armee – Europa braucht auch ein modernisiertes, reformwilliges Frankreich, dass seine Rentenreform endlich angeht,  sich weiter von Subventions- Industriepolitik löst, verstärkt in Start-Up-Kultur investiert und nicht zuletzt gemeinsam den europäischen Binnenmarkt vollendet – eine Daueraufgabe, die nur mit vereinter deutsch-französischen Kraftanstrengung vorankommt; 

und fast noch wichtiger:  Macron muss es in seiner zweiten Amtszeit gelingen, dem französischen Liberalismus, der nicht so heißen darf, auch in der französischen Jugend eine Heimat zu geben – weniger elitär, bodenständiger.“