BEER: Warschau verpasst Chance zur Deeskalierung

20.10.2021

„Trotz zum Teil gekonnt gezündeter Nebelkerzen springt Polens Premier Morawiecki letztlich dem polnischen Verfassungsgericht bei, welches die Stellung des EUGHS in der Europäischen Rechtsordnung in Frage stellt– damit verpasst Warschau die Chance zu einem klaren Bekenntnis bezüglich bindenden EU-Rechts – überall dort, wo dies wie bei Artikel 19 mit Zustimmung der jeweiligen Mitgliedsstaaten auf die EU übertragen wurde.

Es ist allen voran für die polnischen Bürgerinnen und Bürger eine verpasste Chance, Rechtsstaatlichkeit in ihrem Land geachtet zu wissen. Es ist eine schwere Bürde für Polens Menschen, die mehrheitlich der Europäischen Union tief verbunden sind. Dass Polen sich weiterhin als Teil der Europäischen Union sieht, lässt zumindest hoffen, dass Warschau nicht den ultimativen Konflikt mit der EU sucht. Mateusz Morawiecki muss klar sein, dass Europa hier keinen Zentimeter zurückweicht: Nicht die Europäische Union, sondern Polen hat sich in eine rechtsstaatliche Sackgasse manövriert.

Aber auch die EU wirft in der Causa Polen Schatten: Die EU-Kommission bleibt bislang fahrlässig hinter ihren Möglichkeiten zurück – ein Unding für sie als Hüterin der Verträge. Ursula von der Leyen’s Dialog-Diplomatie mit Warschau ist gescheitert, die Kosten sind hoch: Seit dem jüngsten Urteil des polnischen Verfassungsgerichts steuern wir auf eine neue Ebene der Eskalierung zu.

Die heutige Rede des polnischen Premiers bleibt weit hinter den Erwartungen zurück, statt die Tür zu öffnen hat Polens Ministerpräsident die Tür der Rechtsstaatlichkeit auf einen Spalt zugezogen. Europa muss jetzt konsequent bleiben: Die EU-Mitgliedschaft ist kein Club à la carte in Sachen Rechtsstaatlichkeit und bindendem EU-Recht, wir werden die polnischen Menschen nicht im Stich lassen. Daher muss es seitens der EU jetzt heißen: Kurs nachschärfen, Rechtsstaatsmechanismus anwenden, Corona-Hilfen an staatliche Stellen zurückhalten und Strukturfonds einfrieren.“